Verhandlungen sind mehr als nur das, was am Tisch passiert. Der Erfolg entsteht durch die Aktivitäten, die lange vor dem eigentlichen Treffen mit der anderen Partei ausgeführt werden. Genau hier kommt das sogenannte „Preconditioning“ ins Spiel. Es ist der Ansatz, mit der die Sichtweise, die Erwartungen und die Verhandlungsbereitschaft der Gegenseite unbemerkt beeinflusst werden sollen. Lassen Sie uns erkunden, wie durch Geduld, Planung und das Verständnis der Schlüsselpersonen auf der anderen Seite, die Grundlage für eine erfolgreiche Verhandlung gelegt werden können.
Zeit und Geduld
Preconditioning ist vergleichbar mit dem langsamen Garen eines Essens anstelle des schnellen Grillens. Es braucht Zeit, um es richtig zu machen. Wenn man es eilig oder zu früh beginnt, merkt die Gegenseite schnell, was gespielt wird. Es ist wie das Training für einen Marathon – man muss sich darauf vorbereiten und es schrittweise aufbauen. Aus der Zusammenarbeit mit Klienten weiß ich, dass es je nach Verhandlung bis zu 18 Monate dauern kann, die Grundlagen richtig zu legen. Das mag lang erscheinen, aber es zeigt, was wirkungsvolles Preconditioning sein kann, wenn man sich die nötige Zeit nimmt.
Schlüsselpersonen identifizieren
Um ein erfolgreiches Preconditioning aufzusetzen, muss man zuerst wissen, mit wem man es zu tun hat. Das bedeutet, nicht nur die Hauptentscheider zu identifizieren, sondern auch diejenigen, die den Entscheidungsprozess beeinflussen. Denken Sie an alle Beteiligten – auch Berater oder Mitarbeiter, die zwar nicht final entscheiden, aber großen Einfluss haben. Wenn Sie dieses Netzwerk verstehen, können Sie Ihre Bemühungen gezielt einsetzen, um das Verhandlungsergebnis schon vor dem offiziellen Beginn positiv zu beeinflussen.
Zielgruppe verstehen
Eine gute Preconditioning-Strategie erfordert ein tiefes Verständnis der Gegenseite. Man muss deren Reaktionen antizipieren, um sicherzustellen, dass die eigene Vorgehensweise zum gewünschten Ergebnis führt. Es geht darum, den richtigen Zeitpunkt für Handlungen oder Pausen zu wählen – abhängig davon, was in deren Umfeld passiert. Es ist zudem hilfreich, die Reaktionen verschiedener Personen auf Ihre Botschaften zu beobachten, um Ihre Vorgehensweise gezielt anzupassen und negative Überraschungen zu vermeiden.
Wer sollte preconditionieren?
Das Konzept der Autorität spielt eine entscheidende Rolle, um die Wirkung von Preconditioning zu verstärken. Menschen neigen dazu, denjenigen zu folgen oder deren Meinung als wichtiger zu erachten, die sie als Autorität oder Experten auf einem bestimmten Gebiet wahrnehmen. Um diesen natürlichen Respekt für Autorität zu nutzen, kann Preconditioning entweder direkt erfolgen – durch Autoritätspersonen im eigenen Unternehmen (z. B. CEO, CFO, CIO) – oder indirekt durch externe Experten, die in einem spezifischen Bereich als Autoritäten anerkannt sind. Diese strategische Nutzung von Autorität kann die Wirkung Ihrer Kommunikation und Ihrer Verhandlungsstrategien erheblich verstärken.
Beispiel aus der Pharmaindustrie: In der Zusammenarbeit mit einem Pharmaunternehmen setzten wir gezielt auf strategisches Preconditioning durch glaubwürdige Dritte. Das Unternehmen plante, eine hochpreisige Therapie im Vergleich zu einer sehr niedrig bepreisten Standardtherapie auf den Markt zu bringen. Diese war speziell für eine kleine Patientengruppe gedacht, bei der die Standardtherapie keine langfristige Option darstellte.
Anstatt diese Argumentation ausschließlich durch das Pharmaunternehmen selbst führen zu lassen – was leicht als eigennützig abgetan wird – wurden medizinische Meinungsführer und Patientenorganisationen eingebunden. Diese unabhängigen Akteure trugen durch Konferenzen, Fachartikel und Patientenveranstaltungen dazu bei, den Nutzen des Medikaments hervorzuheben und die Wahrnehmung positiv zu beeinflussen. So wurde das Medikament frühzeitig als therapeutisch notwendige Lösung für eine bisher unversorgte Patientenpopulation positioniert.
Der Effekt: Schon vor Verhandlungsbeginn entstand ein Verständnis, dass es sich nicht nur um ein weiteres Produkt, sondern um eine dringend benötigte Behandlungsoption handelt.
Das Ergebnis: Die Verhandlungen starteten unter deutlich veränderten Vorzeichen – mit legitimer Erwartungshaltung und erhöhter Dringlichkeit für einen erfolgreichen Abschluss.
Dies ist ein Beispiel dafür, wie gezielt eingesetzte Autorität die Wahrnehmung verändern kann.
Die richtigen Kommunikationskanäle wählen
Es ist entscheidend, Ihre Botschaften über Kanäle zu kommunizieren, denen Ihre Zielgruppe vertraut. Für Unternehmen können das Fachzeitschriften, renommierte Nachrichtenportale oder soziale Medien mit einflussreichen Personen sein. Dabei sollte die Botschaft stets dem jeweiligen Medium angepasst werden – was in einem offiziellen Bericht funktioniert, ist auf Social Media eher ungeeignet. Erfolgreiche Kommunikation bedeutet, relevante Botschaften zu gestalten, die beim Publikum ankommen und eine positive Verhandlungsbereitschaft erzeugen.
Die Bedeutung von Subtilität
Ein entscheidender Teil erfolgreichen Preconditionings besteht darin, dass Ihre Einflussnahme nicht offensichtlich ist. Menschen sind offener für Inhalte, wenn sie nicht merken, dass sie beeinflusst werden. Ihre Botschaft erscheint dann als echter Ratschlag – nicht als Manipulation.
Beispiel aus der IT-Branche:
Bei der Zusammenarbeit mit einem Klienten, der B2B-Softwarelösungen anbietet, unterstützten wir die Verhandlung zur Umstellung auf modulare Softwarepakete. Ziel war es, die Komplexität und Kosten kundenspezifischer Lösungen zu reduzieren. Trotz der klaren Vorteile zögerten viele Kunden, sich von individuell zugeschnittenen Systemen zu lösen. Unser Ansatz bestand darin, diese Haltung behutsam zu verändern. Über neun Monate hinweg betonten wir in der Kommunikation gezielt die Ineffizienzen und Kosten individueller Softwarelösungen – unter anderem durch Hinweise auf Wartungsaufwand und zwischenzeitliche Serviceeinschränkungen. Zudem wurde ein Entwicklungsplan vorgestellt, der die wirtschaftlichen und betrieblichen Vorteile der modularen Lösung aufzeigte.
Diese Strategie der sanften Überzeugung zahlte sich aus: Nach sechs Monaten war eine erste Wahrnehmungsänderung spürbar. Ein Kunde fragte proaktiv nach Möglichkeiten zur Kosten- und Risikoreduzierung – der Einstieg in die modulare Welt. In den folgenden sechs Monaten folgten der Mehrzahl der Kunden. Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, wie eine wohlüberlegte und subtil ausgeführte Strategie Entscheidungen in eine gewünschte Richtung lenken kann – ohne direkten Druck, sondern durch nachvollziehbare Argumente und stimmige Kommunikation.
Klare und präzise Botschaften
In der Informationsflut vor Verhandlungen stechen klare und direkte Botschaften heraus. Es ist wichtig, präzise zu formulieren, damit Ihre Aussagen verstanden und erinnert werden. Preconditioning-Botschaften sind daher oft kurz, prägnant und leicht im Gedächtnis zu behalten.
Wiederholung der Botschaft
Wenn mehrere Stakeholder dieselbe Kernbotschaft wiederholen, verstärkt das ihre Wirkung deutlich. Das können Teammitglieder, das Management oder externe Partner sein. Eine wiederholte Botschaft kann Wahrnehmungen und Erwartungen entscheidend verändern.
Beispiel mit Donald Trump: Donald Trump beherrschte diese beiden Punkte. Bereits Monate vor der Wahl 2020 kommunizierte er, dass die Wahl gestohlen werden würde. Diese Botschaft wiederholte er immer wieder. Schließlich begannen auch andere Autoritätsfiguren, diese Aussage zu wiederholen. Am Ende glaubte ein erheblicher Teil der US-Bevölkerung diese Botschaft.
Fazit
Preconditioning zu beherrschen erfordert Geduld, strategisches Denken und ein tiefes Verständnis psychologischer Zusammenhänge. Durch die gezielte Identifikation von Schlüsselpersonen, die kluge Nutzung von Autoritäten und subtile Kommunikation kann der Verlauf einer Verhandlung entscheidend beeinflusst werden. Die genannten Beispiele zeigen, wie wirkungsvoll diese Methoden sind – vorausgesetzt, sie werden mit Weitsicht und Präzision umgesetzt.