Verhandlungen prägen viele Bereiche unseres Alltags – egal, ob Sie mit Ihrem Chef ein besseres Gehalt aushandeln oder im Urlaub um einen niedrigeren Preis für ein Souvenir feilschen. Es gilt als Kunst aber ist auch eine Reihe von Fähigkeiten und Strategien, um erfolgreich zu sein. Manche Verhandler setzten Taktiken wie „guter Bulle/böser Bulle“, künstliche Fristen oder sogar ethisch fragwürdige Manöver ein, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Diese Taktiken können wirksam sein – doch jede davon hat Konsequenzen, die sorgfältig bedacht werden sollten.
Dieser Artikel beleuchtet einige gängige distributive Verhandlungstaktiken und hinterfragt die dahinterliegenden Motive. Schauen wir uns diese Techniken nacheinander an.
Salami-Taktik
Die Salami-Taktik zerlegt eine große Forderung in kleinere, leichter verdauliche Stücke. Verhandler setzen diesen Ansatz ein, wenn die Gegenseite bei großen Zugeständnissen blockt, aber kleinere mitträgt. Wenn Sie zum Beispiel den Preis für ein Bett im Einrichtungshaus von 850 € auf 700 € senken möchten, könnte eine sofortige Forderung nach 700 € das Gespräch beenden. Stattdessen beginnen Sie mit einem 10 %-Rabatt, fordern dann 40 € Nachlass auf das Ausstellungsstück und verweisen später auf einen kleinen Mangel, um weitere 25 € zu erhalten. Schrittweise nähern Sie sich so Ihrem Zielpreis.
Guter Bulle/Böser Bulle
Zwei Verhandler übernehmen gegensätzliche Rollen: Einer gibt sich freundlich und verständnisvoll, der andere tritt konfrontativ und fordernd auf. Das Ziel: Die andere Partei soll sich dem „guten“ Verhandler öffnen und eher zu Zugeständnissen bereit sein.
Rosinenpickerei
Rosinenpicken bedeutet, gezielt nur jene Informationen hervorzuheben, die den eigenen Standpunkt stützen, während widersprüchliche Fakten ausgeblendet werden. Andere Möglichkeit ist nur die Teile eines Angebotes zu übernehmen die mir gefallen und die anderen zu ignorieren.
Begrenzte Autorität
Bei dieser Taktik gibt ein Verhandler (fälschlich) an, nicht autorisiert zu sein, bestimmte Zugeständnisse zu machen – auch wenn er es wäre. Das verschafft Zeit und erlaubt ein taktisches Innehalten. Übermäßiger Einsatz kann jedoch Frustration auslösen und die Gegenseite dazu bringen, auf Gespräche mit einem echten Entscheider zu bestehen.
The Nibble
Hierbei wird kurz vor Vertragsabschluss eine zusätzliche kleine Forderung eingebracht – etwa mit dem Hinweis: „Eine letzte Sache noch …“. Das Ziel ist es, einen letzten Vorteil zu erzielen, der im Hauptteil der Verhandlung nicht erreichbar war. Überlegen Sie genau: Steht die andere Partei unter so hohem Zeitdruck, dass sie sich darauf einlässt – oder riskiert sie lieber den Abbruch?
Fristen
Eine Deadline erzeugt Dringlichkeit – oft künstlich, aber dennoch wirksam. Die Gegenseite wird unter Zugzwang gesetzt, bevor die Zeit abläuft. Die entscheidende Frage lautet: Was passiert tatsächlich, wenn die Frist verstreicht und keine Einigung erzielt wurde?
Den Tisch verlassen
Die Walk-Away-Taktik signalisiert: „Wenn unsere Bedingungen nicht erfüllt werden, gehen wir.“ Das kann erheblichen Druck aufbauen – aber nur, wenn man auch weiß, wie und wann man gegebenenfalls glaubwürdig zurückkehrt.
Verhandlungen bleiben ein komplexer, vielschichtiger Prozess – und distributive Taktiken sind nur ein Teil davon. Ihr Ziel ist es, durch gezielte Beeinflussung von Macht und Stress die Verhandlung zu den eigenen Gunsten zu verschieben. Wer dem wirksam begegnen will, muss seine eigenen Treiber kennen, klare Ziele definieren und Alternativen (BATNA) sauber durchdenken. Wer diese Taktiken früh erkennt, entzieht ihnen oft die Wirkung.
Bevor Sie solche Mittel selbst einsetzen, halten Sie kurz inne: Geht es hier wirklich um ein Nullsummenspiel – oder um das gemeinsame Erarbeiten einer tragfähigen Lösung? Stimmen Sie Ihr Vorgehen mit den relevanten Stakeholdern ab. Und prüfen Sie nüchtern, ob der mögliche Gewinn das Risiko rechtfertigt, Vertrauen aufs Spiel zu setzen.