Verhandlungsalptraum: Wie rette ich ein Geschäft wenige Tage vor der Deadline?

6 min read posted on 5 Mai, 2024

Betrachten wir folgendes Szenario:

Ich habe mich sehr gründlich auf eine Verhandlung vorbereitet. Ich habe meine Ziele in Bezug auf den Preis definiert: Mein bestes Ergebnis liegt bei 95 €, mein schlechtestes bei 80 €. Auf dieser Basis habe ich mich entschieden, mit 100 € zu eröffnen. Vom Management habe ich ein Mandat erhalten, bis auf 89 € herunterzugehen. Nach drei Monaten Verhandlung habe ich innerhalb meines Mandats Zugeständnisse gemacht, die Gegenseite hat Gegenangebote unterbreitet – aber wir sind immer noch weit von einer Einigung entfernt. Nun läuft die Zeit, und die Deadline rückt in wenigen Tagen näher.

Was nun ???

Bewertung des Machtgleichgewichtes

Der erste Schritt ist, zur ursprünglichen Bewertung der Verhandlungsmacht zurückzukehren. In dieser Analyse sind Sie möglicherweise zu dem Schluss gekommen, dass Sie über mehr Macht verfügen, weil Sie angenommen haben, dass die Gegenseite unter größerem Zeitdruck steht. Jetzt stellen Sie sich die Frage: „Hat sich etwas verändert, das ihren Zeitdruck reduziert hat?“ Oder: „Habe ich mich damals möglicherweise geirrt?“ Falls nicht, lesen Sie nicht weiter. Halten Sie sich an Ihren ursprünglichen Plan. Wenn Ihre Bewertung korrekt war, sollte der Zeitdruck der Gegenseite zu nennenswerten Zugeständnissen oder gar zur Kapitulation führen, je näher die Deadline rückt. In dem Fall sind Sie in einer starken Position.

Nehmen wir jedoch ein alternatives Szenario an: Sie überprüfen Ihre Bewertung der Verhandlungsmacht erneut und kommen nun zum Ergebnis, dass die Gegenseite leicht mehr Macht besitzt. Wenn das der Fall ist und die Deadline schnell näher rückt, ohne dass eine Einigung absehbar ist, sollten Sie folgende Punkte in Betracht ziehen:

1. Planung der nächsten Meetings und Zugeständnissen

Bestimmen Sie realistisch, wie viele Angebote Sie bis zum Tag der Deadline noch unterbreiten können, ohne Ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren – und unter Berücksichtigung der Zeit, die die Gegenseite für die Prüfung benötigt. Dies entspricht nicht zwangsläufig der Anzahl physischer Meetings, da Angebote auch telefonisch, per E-Mail oder via Teams/Zoom gemacht werden können. Analysieren Sie vergangene Verhandlungen und die dort tatsächlich erfolgten Angebote. Menschen sind Gewohnheitstiere – Muster wiederholen sich. Sie werden überrascht sein, wie viele Angebote am letzten Tag gemacht werden. Nutzen Sie diese Erkenntnis, um Ihre Bewegungen für die Endphase zu strukturieren.

2. Angebote strategisch planen 

Stellen Sie sicher, dass Ihr Angebotsplan realistisch auf die aktuelle Situation angepasst ist. Versetzen Sie sich in die Lage der Gegenseite: Was werden sie voraussichtlich anbieten? Mit gut durchdachten Schritten lassen sich Lücken oft schneller überbrücken als erwartet.

3. Konditionale Angebote

Jedes Angebot, jedes Zugeständnis, muss konditional sein. Wenn Sie nach drei Monaten plötzlich große Zugeständnisse machen, könnten Sie an Glaubwürdigkeit verlieren – das wäre ein gefährlicher Präzedenzfall. Wenn Sie in dieser Phase zu größeren Zugeständnissen gezwungen sind, dann nur konditioniert auf allen Verhandlungsvariablen. Ganz einfach: Immer, wenn Sie etwas geben, holen Sie sich im Gegenzug etwas Wertvolles zurück. Nur so bleiben Sie konsistent und glaubwürdig.

Was tun, wenn Sie all dies umgesetzt haben, Ihr letztes Angebot bei 89 € liegt – Ihrem Mandat – und immer noch kein Deal zustande kommt?

Der aufmerksame Leser wird bemerkt haben: Das Management-Mandat (89 €) entspricht nicht Ihrem schlechtest akzeptablen Ergebnis (80 €). In Beratungsprojekten sehen wir diese Konstellation häufig – es existiert kein klarer Plan, wie man sich im Notfall der schlechtesten akzeptablen Lösung annähert.

Letzter Ausweg: Alternativer Bewegungsplan

Stellen Sie sicher, dass Sie immer einen „Letzte-Ausweg“-Plan haben, der Sie zu Ihrem schlechtesten akzeptablen Ergebnis führen kann. Wann sollte dieser aktiviert werden?

Zu früh: Sie lassen Geld auf dem Tisch liegen. Zu spät: Der Deal ist möglicherweise verloren.

Trigger definieren

Bestimmen Sie klar definierte Auslöser (Trigger), die den Wechsel zum alternativen Plan rechtfertigen. Diese Trigger sollten im Unternehmen abgestimmt sein und können zeitlich, verhaltensbasiert oder durch externe Faktoren bestimmt sein. Beispiele:

  • Ein Tag vor der Deadline und man ist noch 20 % auseinander.
  • Die Gegenseite hat das Gespräch auf Top-Management-Ebene eskaliert.
  • Ein aktueller Marktbericht zeigt einen deutlichen wirtschaftlichen Abwärtstrend.

Ein solches Vorgehen erlaubt es Ihnen, proaktiv zu verhandeln und fundierte Entscheidungen zu treffen – statt nur zu reagieren.

Glaubwürdigkeit bewahren

Was tun, wenn der Trigger aktiviert wurde und Sie sich Richtung 80 € bewegen müssen – ein erheblicher Schritt nach einer konservativen Linie bisher? Das kann Ihre Glaubwürdigkeit belasten. Hier einige Wege, dies strategisch zu managen:

  1. Verhandlung auf eine höhere Ebene eskalieren
    Ein abrupter Wechsel auf einen Alternativplan verändert das Spielfeld. Es kann sinnvoll sein, nun Entscheider mit höherem Rang einzubinden.
  2. Kopplung der Konzession an eine Handlung der Gegenseite
    Verknüpfen Sie das große Zugeständnis mit einer Veränderung, die durch die Gegenseite ausgelöst wurde. Beispiele:
    – Eine für Sie wichtige Verhandlungsvariable wurde von ihnen wieder eingebracht.
    – Der Zugang zu einem neuen Vertriebskanal wurde ermöglicht.
    – Die Eskalation des Gesprächs wurde durch sie initiiert.
    Dies erhöht ihre Zufriedenheit, da sie die „Ursache“ der Wendung sind – und stärkt Ihre Position durch eine rationale Begründung.
  3. Folgen Sie dem Alternativplan konsequent
    Halten Sie sich strikt an den Alternativplan. Seien Sie wachsam gegenüber emotionalen Reaktionen – insbesondere, wenn Führungskräfte übernehmen. Stellen Sie sicher, dass jede Bewegung konsistent und kontrolliert abläuft. Druck und Stress verändert Verhalten – auch bei erfahrenen Verhandlern.

Kapitulation

Sicherlich nicht der Begriff, mit dem Sie in diese Verhandlung gestartet sind – aber manchmal notwendig. Kapitulation bedeutet, das letzte Angebot der Gegenseite zu akzeptieren.

Voraussetzung: Es liegt innerhalb Ihrer schlechtesten akzeptablen Lösung.

Wenn ja – handeln Sie. Wenn nein – dann machen Sie ein „letztes“ Angebot oder ziehen Sie sich aus der Verhandlung zurück.

Und wenn Sie kapitulieren – machen Sie es unvergesslich

Wenn Sie aufgeben, dann machen Sie es bedeutungsvoll. Es darf nicht wie ein beliebiges Telefonat oder ein weiteres Meeting wirken – es muss sich besonders anfühlen.

Nutzen Sie den Moment, um eine Beziehung zu etablieren.

Zeigen Sie Ihre Zurückhaltung – das erzeugt Zufriedenheit auf der Gegenseite. Lassen Sie sie gewinnen – aber verwenden Sie diesen Moment für den Aufbau einer partnerschaftlichen Basis.

Keine Kapitulation per E-Mail.

Treffen Sie sich persönlich oder zumindest telefonisch. Vermitteln Sie, wie bedeutsam dieser Moment ist.

Nutzen Sie die Gelegenheit, um noch etwas zu bekommen: 

Eine Pressemitteilung, ein weiteres Zugeständnis, Zugang zu etwas Neuem – es ist oft mehr drin als man denkt.

Fazit:

Wenn Sie sich am Ende einer Verhandlung befinden, die Zeit drängt und Ihre ursprünglichen Ziele unerreichbar erscheinen, stellen Sie sicher, dass Sie einen Notfallplan haben. Definieren Sie klare Auslöser und eine nachvollziehbare Begründung für einen plötzlichen Strategiewechsel.

Und wenn Sie kapitulieren müssen – machen Sie es bedeutungsvoll, strategisch und nutzen Sie es für den Aufbau einer langfristigen Beziehung.

Bereit, Ihre Verhandlungsfertigkeiten zu verbessern?

Unsere Verhandlungsberatung basiert auf einer bewährten und erfolgreichen Methodik, um außergewöhnliche Ergebnisse zu erzielen. Wir helfen unseren Kunden in jeder Verhandlung die bestmöglichen Ergebnisse zu erreichen.

Dies geschieht entweder durch direkte Unterstützung (Beratung) oder durch eine nachhaltige Entwicklung der Verhandlungskompetenzen der Mitarbeiter.